Für das Wochenendmagazin «Friday» von «20 Minuten» schreibe ich eine Kolumne – diesmal über die aussterbende Kunst des Witze-Erzählens:
Seine Witze waren so schlecht, ich will sie hier gar nicht weiter verbreiten. Einen nach dem anderen haute der Senior raus. Und die alte Dame konnte sich vor Lachen kaum halten auf ihrem Sitz im Trämli. «Woher haben Sie all die Witze?», fragte sie in einer Atempause. «Die erfinde ich selbst», meinte er und lieferte gleich den nächsten. Es war eine trostlose Fahrt.
Und trotzdem dachte ich: «Respekt!» Wer kann heute noch Witze erzählen, geschweige denn erfinden? Wer, ausser eben alte Männer mit Altherrenhumor? Wir sind so besessen von Authentizität und Spontanität, dass wir diese einstudierte, künstliche Erzählform Witz nur noch peinlich finden.
Nicht dass wir in Zeiten grosser Traurigkeit leben würden. Im Gegenteil. Wir posten Wortspiele auf Twitter und Fun-Facts auf Facebook. Aber wenn es zu fortgeschrittener Beizen-Stunde heisst: «Kennt ihr den schon?», dann folgt nicht ein Witz, sondern ein Video auf einem Smartphone.
Letztens war ich beim Konzert einer Band. Eine technisch bedingte Pause wollte die Sängerin mit einem Witz überbrücken. Schon bei der Ankündigung spürte man, wie alle unruhig dachten: «Oh-oh, das ist sehr mutig!» – als würde sie gerade zum Crowdsurfen in ein Kirchengestühl springen.
Eigentlich wollte ich den Witz hier erzählen. Die Pointe sass. Es wäre ein Beweis, dass auch Menschen unter 60 noch Witzen reissen können. Aber dummerweise habe ich ihn bei «witze-fun.de» nachgeschlagen – mit den Stichworten «kettensäge» und «muschi» – und sehe: Nur gerade 2,5 Sterne hat er und alt ist er auch noch.
Gedruckt erschienen in leicht gekürzter Fassung.