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Mit ‘NZZ am Sonntag’ getaggte Beiträge

Heppenheimer Trutzburg abgerissen

6. Juni 2012

herrfischer

Jetzt ist es also passiert im schönen Heppenheim an der beschaulichen Bergstrasse: Die illegale Trutzburg, die der Imker Volker Sieradzki eigenhändig in den Weinberg gebaut hat, wurde heute abgerissen.

Schon vor ein paar Monaten waren die Bagger im Weinberg und haben ein bisschen an Sieradzkis Kräuterspirale gekratzt. Offiziell, weil es auch für diese keine Baubewilligung gab. Aber wahrscheinlich auch einfach, um zu testen, ob es zum Volksaufstand kommt, wenn die Bagger kommen. Schliesslich war die Burg beliebt, Abriss also politisches Risiko.

Der grosse Aufstand bleib aus. Aber Unterschriften haben einige Heppenheimer gesammelt für den Erhalt der Burg, kleine Demonstrationen veranstaltet, ein Komitee gebildet und im Rathaus vorgesprochen. Genutzt hat es nichts. Der Beigeordnete des Landkreises hat den Abriss durchgesetzt. Weil nicht sein darf, was nicht sein darf.

Ich hatte Sieradzki neulich in seiner Burg besucht, um für die «NZZ am Sonntag» eine Reportage darüber zu machen, warum Leute heute noch Burgen bauen. Aber Sieradzki hatte mir dann gleich erklärt, dass es ihm nie um eine Burg gegangen sei. Burgen seien ihm Wurst. Er habe ein Naturschule für Kinder bauen wollen, aber gewusst, dass man im Weinberg nicht bauen darf. Deshalb habe er etwas bauen wollen, was jedem gefällt. Deshalb eine Burg. Weil Burg: Gefällt jedem und sieht auch schon als Baustelle gut aus.

Und so stürzte Sieradzki seinen Heimatort in ein Dürrenmatt’sches Bühnenspiel, bei dem ein Dorf und seine Verwaltung am Ende etwas tut, das niemand tun möchte, das alle als «tragisch» und als «bitter» bezeichnen, aber dennoch tun, weil ja jeder gleich behandelt werden müsse.

Nur: Warum eigentlich? Es ist doch Wurst, wenn jemand etwas darf, was ein andere nicht darf. Wir stürzen deswegen nicht in den nächsten Unrechtsstaat (auch in Heppenheim ist in all den Jahren, in denen die Behörde dem Burgenbauen tatenlos zugeschaut hatte, nicht die Anarchie ausgebrochen). Nein, es gibt dieses schöne Zitat von Karl Kraus: «In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.» Nicht für das Recht, das Richtige.

PS: Dies ist der erste Beitrag auf meiner vollständig überarbeiteten Website. Fängt ja gut an, das Ganze.