
Für das Wochenendmagazin «Friday» von «20 Minuten» schreibe ich eine Kolumne – diesmal über das Schweizersein in Deutschland:
Seit bald zehn Jahren lebe ich als Schweizer in Berlin. Und warte ständig darauf, dass mir meine deutschen Freunde, Kollegen oder Nachbarn sagen: «So wie viele deiner Landsleute unseren Landsleuten gegenüber eingestellt sind, wollen wir auch nicht mehr freundlich zu dir sein.» Nach dem Abstimmungsergebnis am Sonntag bin ich umso erstaunter, dass meine Befürchtungen bis jetzt nicht eingetroffen sind.
Ich war einer von denen, die für ihre Lebensziele eine Landesgrenze überschreiten mussten. Ich habe Familie und Freunde zurückgelassen, den Bodensee und die Berge. Ich war nicht anders als der Deutsche, der in die Schweiz geht. Oder der Somalier, der nach Deutschland will. Wir wollen etwas erreichen. Wir riskieren zu verlieren. Der Somalier vielleicht sogar sein Leben.
Als Ausländer habe ich mich in Deutschland trotzdem wie ein Arsch benommen. Ich hatte diese Haltung, alles mit der Schweiz zu vergleichen und lauthals meine Schlüsse daraus zu ziehen. Einmal sagte ich allen Ernstes: «Wir Schweizer sind einfach besser: fleissiger, gebildeter und so erfolgreich, weil wir so bescheiden sind.» Man hätte mir Badi-Verbot erteilen sollen für meine Dummheit. Doch komischer- weise blieben alle meine deutschen Freunde immer freundlich. Nie erlebte ich ein Ressentiment. Nie.
Danke dafür, Deutschland. Danke, dass ich ein Arsch sein konnte. Und danke, dass ihr mich nie in Sippenhaft genommen habt für die Meinungen meiner Landsleute. Nicht einmal dann, wenn ich sie teilte. Das hat meine Meinung über euch geändert.
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